Es gibt eine Plage, die heute unser Land in etwa so schonungslos in ihrer Gewalt hält wie dereinst die Syphilis – und das ist die Schlagerparty.
Alles, was man dafür braucht ist eine
Dorfdisco, eine Schützenhalle oder auch ein Mehrzweck-Veranstaltungszelt, dazu
ein Helene-Fischer Lichtdouble und eine handvoll gebrochene Z-Prominente, die
selbst für Scripted Reality-Formate schon lange nicht mehr tragbar sind und nun
ihr Heil im Schutze des Halbplaybacks suchen.
Das Ganze abgerundet mit mehreren
Hektolitern Alkohol in verschiedenster Ausführung und schon ist die Bude voll –
im doppelten Sinne versteht sich.
Untermalt von Bontempi-Orgelklängen mit
Stumpfbeat werden dem ortsansässigen Refrain-Vieh dann rudimentäre
Textbausteine hingeworfen, die es auch dann noch mitbäuern kann, wenn sich IQ
und Promillegehalt längst auf Augenhöhe befinden.
Obwohl sie der natürliche Antagonist des
Rockkonzertes ist, wird die Schlagerparty auch von verhältnismäßig vielen
Männern besucht. Warum die sich den testosteronzersetzenden Klängen ausliefern
scheint klar: Schlagerparties bieten dem Mann die Möglichkeit, sich endlich mal
wieder den Kitt aus den Sackfalten schlagen zu können – und sei es mit dem
eigenen Ehe-Opfer. Nach 5 Stunden „Ausgelassenheit“ mit Begattungspolka,
Stroboskop und jeder Menge Spaßgetränke, wie „Blow Job“, „Gangbang“ oder „Rosa
Flittchen“, kann der Herr der Schöpfung zu Hause im Boxspringbett noch ganz
ungestört eine Runde Koma-Sutra durchspielen, ohne auf Bedürfnisse der
Gegenseite eingehen zu müssen. Das schaffen selbst die Herren, die das Gefühl
„Atemlos durch die Nacht“ eigentlich nur noch kennen, wenn das Asthma-Spray zur
Neige gegangen ist.
So vielfältig die Beweggründe für eine
Mittäterschaft bei diesen Hohl-Happenings sind, so vielfältig sind auch die
Stilarten des Schlagers, der ja heute gerne mal volkstümelig oder auch verpoppt
dahersuppt.
Der Urmeter der deutschen Betankungsfröhlichkeit
Fast schon mit Wehmut denkt man an die
veraltete, klassische Variante zurück, bei der „eine neue Liebe“ wie ein „neues
Leben“ war und bei der Tränen immer die Wahrheit sagten. Hochphilosophie,
verglichen mit der schlecht getakteten Reimschändung des heutigen
Pop-Schlagers.
Den Urmeter dieser deutschen Betankungsfröhlichkeit
findet man übrigens auf Mallorca in einem Schuppen namens „Bierkönig“. So der
offizielle Name. Die Bezeichnung„Jürgen Drews-Mausoleum“ trifft es schon eher,
denn noch immer verrichtet dort einmal in der Woche das Kopfweh-Ungeheuer
seinen Dienst am Sangriaverseuchten Gröhl-Teutonen mit einer Beharrlichkeit,
die den „König von Mallorca“ eher schon wie die „Queen Mum“ der Balearen
erscheinen lässt. Allerdings gilt für Onkel Jürgen das Prinzip, wie für Iron
Maiden in puncto Musik-Klischee: „Die dürfen das, die haben es schließlich
erfunden. „
Nichtsdestotrotz liefert der Kornfeld-Kasper
zusammen mit einer Heerschar weiterer, skurriler Animationstrolle schon seit
Jahren den Soundtrack für zehntausende Ballermänner und Ballerfrauen, die sich
wie eine offene Hose benehmen, nur weil sie auf Urlaub sind. Ursache und
Wirkung scheinen auf Mallorca leicht zu verschwimmen. Hört man nun Schlager,
weil man Alkohol getrunken hat, oder trinkt man Alkohol, weil man Schlager
gehört hat? Egal, was muss, das muss und wer muss, der geht halt in den Pool.
Wer zwei Wochen lang dauersaufend den Tag
mit seiner Anwesenheit verseucht und nachts die Atmosphäre eines an sich friedlichen
Feriendomizils mit debiler Besatzungsmusik schändet, um das Optimum aus seinem
Urlaub rauszuholen, dem muss man sicher nicht mit indianischer Erkenntnis
kommen. Und doch sollten für Malle-Urlauber dieser Prägung an Flughäfen Räume
eingerichtet werden, in denen sie nach der Rückkehr sitzen und warten können,
bis ihnen ihre Würde nachgereist ist.
Iron Maiden fragt hier zu Recht: Can I Play with Madness?
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