Freitag, 27. Mai 2016

Die Schlagerparty… “The Singing Dead” im Discobeat


Es gibt eine Plage, die heute unser Land in etwa so schonungslos in ihrer Gewalt hält wie dereinst die Syphilis – und das ist die Schlagerparty.
Alles, was man dafür braucht ist eine Dorfdisco, eine Schützenhalle oder auch ein Mehrzweck-Veranstaltungszelt, dazu ein Helene-Fischer Lichtdouble und eine handvoll gebrochene Z-Prominente, die selbst für Scripted Reality-Formate schon lange nicht mehr tragbar sind und nun ihr Heil im Schutze des Halbplaybacks suchen.
Das Ganze abgerundet mit mehreren Hektolitern Alkohol in verschiedenster Ausführung und schon ist die Bude voll – im doppelten Sinne versteht sich.
Untermalt von Bontempi-Orgelklängen mit Stumpfbeat werden dem ortsansässigen Refrain-Vieh dann rudimentäre Textbausteine hingeworfen, die es auch dann noch mitbäuern kann, wenn sich IQ und Promillegehalt längst auf Augenhöhe befinden.

Obwohl sie der natürliche Antagonist des Rockkonzertes ist, wird die Schlagerparty auch von verhältnismäßig vielen Männern besucht. Warum die sich den testosteronzersetzenden Klängen ausliefern scheint klar: Schlagerparties bieten dem Mann die Möglichkeit, sich endlich mal wieder den Kitt aus den Sackfalten schlagen zu können – und sei es mit dem eigenen Ehe-Opfer. Nach 5 Stunden „Ausgelassenheit“ mit Begattungspolka, Stroboskop und jeder Menge Spaßgetränke, wie „Blow Job“, „Gangbang“ oder „Rosa Flittchen“, kann der Herr der Schöpfung zu Hause im Boxspringbett noch ganz ungestört eine Runde Koma-Sutra durchspielen, ohne auf Bedürfnisse der Gegenseite eingehen zu müssen. Das schaffen selbst die Herren, die das Gefühl „Atemlos durch die Nacht“ eigentlich nur noch kennen, wenn das Asthma-Spray zur Neige gegangen ist.
So vielfältig die Beweggründe für eine Mittäterschaft bei diesen Hohl-Happenings sind, so vielfältig sind auch die Stilarten des Schlagers, der ja heute gerne mal volkstümelig oder auch verpoppt dahersuppt.

Der Urmeter der deutschen Betankungsfröhlichkeit

Fast schon mit Wehmut denkt man an die veraltete, klassische Variante zurück, bei der „eine neue Liebe“ wie ein „neues Leben“ war und bei der Tränen immer die Wahrheit sagten. Hochphilosophie, verglichen mit der schlecht getakteten Reimschändung des heutigen Pop-Schlagers.
Den Urmeter dieser deutschen Betankungsfröhlichkeit findet man übrigens auf Mallorca in einem Schuppen namens „Bierkönig“. So der offizielle Name. Die Bezeichnung„Jürgen Drews-Mausoleum“ trifft es schon eher, denn noch immer verrichtet dort einmal in der Woche das Kopfweh-Ungeheuer seinen Dienst am Sangriaverseuchten Gröhl-Teutonen mit einer Beharrlichkeit, die den „König von Mallorca“ eher schon wie die „Queen Mum“ der Balearen erscheinen lässt. Allerdings gilt für Onkel Jürgen das Prinzip, wie für Iron Maiden in puncto Musik-Klischee: „Die dürfen das, die haben es schließlich erfunden. „

Nichtsdestotrotz liefert der Kornfeld-Kasper zusammen mit einer Heerschar weiterer, skurriler Animationstrolle schon seit Jahren den Soundtrack für zehntausende Ballermänner und Ballerfrauen, die sich wie eine offene Hose benehmen, nur weil sie auf Urlaub sind. Ursache und Wirkung scheinen auf Mallorca leicht zu verschwimmen. Hört man nun Schlager, weil man Alkohol getrunken hat, oder trinkt man Alkohol, weil man Schlager gehört hat? Egal, was muss, das muss und wer muss, der geht halt in den Pool.

Wer zwei Wochen lang dauersaufend den Tag mit seiner Anwesenheit verseucht und nachts  die Atmosphäre eines an sich friedlichen Feriendomizils mit debiler Besatzungsmusik schändet, um das Optimum aus seinem Urlaub rauszuholen, dem muss man sicher nicht mit indianischer Erkenntnis kommen. Und doch sollten für Malle-Urlauber dieser Prägung an Flughäfen Räume eingerichtet werden, in denen sie nach der Rückkehr sitzen und warten können, bis ihnen ihre Würde nachgereist ist.


Iron Maiden fragt hier zu Recht: Can I Play with Madness?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen