Freitag, 17. Juni 2016

Neue Märchen braucht das Land!


Was hat man uns nicht alles schon für Märchen erzählt.
Ich meine damit jetzt aber nicht das von den „blühenden Landschaften“, das wir in den 90ern hörten oder das von Saddams Atomwaffen 20 Jahre später und auch nicht mein aktuelles Lieblingsmärchen: Das von der schwarzen Null.
 
Nein, ich meine die richtigen Märchen. Prinzessin, Königssohn, böse Stiefmutter, Hexe, Zwerge - diese Oldschooldinger, die Kindern ja auch immer den Sinn von Gut und Böse vermitteln sollten und die schon zu Grimms Zeiten so altmodisch waren, das die Brüder sie erstmal für ihre Sammlung aufpolieren mussten.
Aber seitdem hat auch keiner mehr was an den alten Märchen verändert. Sie werden noch genauso wortgetreu erzählt wie vor 200 Jahren.

Ich verstehe nicht, warum Märchen zeitlos sein sollten. Wenn sie Kinder wirklich etwas vermitteln wollen, dann müsste man sie doch ein wenig aktualisieren. „Pimp mein Märchen“, sozusagen.
Als ich meiner Tochter einmal Rotkäppchen vorlas, hatte ich genau diesen Gedanken und es überkam mich einfach beim Lesen.
Wir waren and der Stelle angelangt, in der Rotkäppchen den als Großmutter verkleideten Wolf fragt.
Also las ich vor:
»Großmutter, warum hast du so ein entsetzlich großes Maul?«
„Damit  ich dich besser fressen kann.«
Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen mit Haut und Haaren.
Ende.
Und damit schlug ich das Buch zu.

Meiner Meinung nach wäre durch diese Kürzung der pädagogische Ansatz des Textes voll erfüllt. Geh nicht vom Weg ab und sprich nicht mit Fremden – oder Wölfen.
Meine Tochter konnte meiner Absicht leider noch nicht ganz folgen – sie war drei und fing fürchterlich an zu weinen. Aber trotzdem bin ich mir sicher, dass man die Märchen heute auch anders erzählen kann, ja sogar muss.

Jetzt mal ehrlich, ein Happy End hat doch noch kein Kind aufs Leben vorbereitet, oder?
Allein schon der Satz: „Und sie lebten zusammen glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ enthält doch schon zwei dicke Lügen: Zusammen und glücklich! Damit überzeugt man eben kein Scheidungskind.  
Die neue Abschlussformel könnte lauten:
„Beide waren sie an diesem Tage glücklich und rauften sich zusammen bis ans Ende ihrer restlichen Tage, von denen es eine Reihe ziemlich gute und eine Reihe ziemlich schlechte und überwiegend durchschnittliche gegeben hat."
So lässt man die Kinder auch später nicht sehenden Auges ins Unheil rennen.

Die Bremer Stadtmusikanten vs DSDS

Gut, natürlich sollen Märchen auch die kindliche Phantasie anregen, klar.
Mit ein klein wenig Modifikation, etwas Weglassen oder auch etwas Hinzufügen könnte man aber
eine wunderbare Balance zwischen Phantasie und Realität herstellen.
Nehmen wir doch zum Beispiel mal die Bremer Stadtmusikanten.
Klar ist es schön wie das Märchen den Teamgeist beschwört, das man auch als Esel, Hund, Katze und Hahn, oder anders gesagt mit verschiedenen Migrationshintergründen zusammen eine Horde Verbrecher in die Flucht schlagen kann und so weiter und so fort.
Aber um der Realität Genüge zu tun, müsste man auch konsequent weitererzählen, dass die Mitglieder dieser tierischen Band  fortan ihr Dasein als Hartz-4ler fristen mussten, weil sie von ihrer Musik alleine natürlich nicht leben konnten.
Das ist der nötige Schuss Realität in der Geschichte und würde vielleicht auch den Casting-Show-Wahn etwas eindämmen.

Man könnte Schneewittchen mal auf den neuesten, technischen Stand bringen, und so subtil und früh schon auf die Gefahren des Internets hinzuweisen.
„Smartphone, Smartphone in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, fragt da die Königin.
Und Siri antwortet: “Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier. Aber Schneewittchen hat auf Instagram 1000mal mehr Follower als Ihr.“
Daraufhin wird die Königin so eifersüchtig, dass sie Schneewittschens Account lahmlegt – und zwar mit ihrem Apple.

Ein anderes berühmtes Märchen könnte dazu dienen, die Geschlechtergrenzen niederzureißen.
Rapunzel wäre nämlich ein wunderbares Beispiel für die Gleichstellung von Mann und Frau, wenn der Zauberin auf ihr Bitten hin plötzlich ein 12 Meter langer blonder Hipsterbart aus dem Turm geworfen würde. „Rapunzer, Rapunzer, lass Deinen Bart herunter.“
Dann hätte auch der Gender Mainstream irgendwann eine Chance. 

Aber, wir sollten nicht nur an den alten Märchen herumschrauben, sondern auch jüngere Kindergeschichten nutzen, um unseren Kindern das Leben leichter zu machen – und das im wahrsten Sinne des Wortes
So ist „Die Geschichte von der kleinen Raupe Nimmersatt“ eigentlich eine perfekte Diät-Anleitung für das adipöse Kind. Aber natürlich nur, wenn man die Geschichte auch von hinten nach vorne liest.
„Und sie lebten schlank und glücklich bis ans Ende ihrer Tage.“


"Es war einmal...", so fangen sie ja an, die Märchen... Auf englisch: Once upon a time...


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